Krisen PR in der Praxis

Krisen-PR in der Praxis

In einer Krisensituation gelangen Unternehmen blitzschnell in den Fokus der Öffentlichkeit. Krisen-PR sollte mit solchen Situationen souverän und kompetent umgehen. Doch in der Krisenkommunikation ist oft das Gegenteil der Fall. PR-Experte Stefan Epler von der PR-Agentur LEWIS hat in seinem Gastbeitrag vier prominente Praxisfälle für Sie zusammengestellt:

Ein Öltanker strandet vor der Küste Australiens, der Spitzensportler hat eine Affäre und der Vorstandsvorsitzende kassiert eine Abfindung in Millionenhöhe, während die Belegschaft entlassen wird. Es existieren viele Gründe für eine Krise. Kommunikationsverantwortliche ohne ausreichende Krisenerfahrung sollten in solchen Fällen genau abwägen, welche Ressourcen sie benötigen, um das Unternehmen schnell aus der Bredouille zu manövrieren. Denn im Ernstfall gilt es rasch zu handeln – und die Zeit für eine Lernkurve fehlt meist.

Für das Unternehmen bedeutet der Krisenfall häufig nur eines: Panik. Auf Panik folgen Verantwortungsdiffusion und häufig Verschleierungs- und Salamitaktik. Gründe hierfür sind oftmals fehlende oder nur unzureichende Vorbereitung auf eine Krisensituation: Weder wurden ein Worst-Case-Szenario durchgespielt noch Kommunikationsabläufe im Krisenfall aufeinander abgestimmt. Der Zeitdruck ist enorm. Im schlimmsten Fall droht ein Scheitern auf ganzer Linie mit Folgen wie Mitarbeiterverunsicherung, Imageverlust bis hin zu weitreichenden Umsatzeinbußen. Das „perfekte“ PR-Desaster ist vorprogrammiert.

Im Folgenden möchte ich Ihnen drei prominente Negativbeispiele für Krisenkommunikation illustrieren: ein Flug der United Airlines, die Loveparade 2010 und den VW Abgasskandal. Ich werde Sie anschließend nicht alleine im Dunkeln tappen lassen und präsentiere Ihnen ein für mich hervorragendes Positivbeispiel, welches durchaus künftig als Blaupause für vorbildliche Krisen-PR dienen könnte.

United Airlines

Spekuliert wird nicht nur an der Börse, auf der Pferderennbahn oder im heimischen Wohnzimmer: Auch Fluggesellschaften spekulieren mit ihren Kapazitäten und überbuchen ihre Flieger regelmäßig, um für eine optimale Auslastung zu sorgen. Doch was passiert, wenn tatsächlich einmal der Fall eintritt, dass kein Passagier seine Reise storniert hat und der Flieger somit faktisch überbucht ist? Wenn Passagiere trotz regulär gebuchter Tickets aus dem Flugzeug „gebeten“ werden und das Ganze auf Youtube landet?

Dass gerade für diesen Fall kein Worst-Case-Szenario durchgespielt wurde, verdeutlichen die Aussagen des United Airlines Vorstandschefs Oscar Munoz, der sich zwar öffentlich für den Vorfall entschuldigte (was an sich eine gute Maßnahme gewesen wäre), jedoch dabei durch seine Wortwahl weitere Negativschlagzeilen machte, indem er von einem „Umplatzieren des Kunden“ sprach. Wer sich die Vorfälle noch einmal etwas genauer vor Augen führt, erkennt schnell, dass der Sprecher bei dieser Aussage leider einen völlig falschen Terminus verwendete. Wenn dann auch noch unternehmensinterne E-Mails öffentlich werden, in denen selbiger den harten Einsatz der Polizeikräfte aufgrund „unkooperativen Verhaltens“ des Fluggastes rechtfertigt, gelangt auch ein erfahrener PR-Profi an seine Grenzen. Die Kommunikationshoheit musste das Unternehmen in diesem Fall komplett abgeben und war somit wie ein Schiff auf hoher See gnadenlos dem reißerischen Strom der Presse ausgeliefert. Wie und ob das zerrüttete Verhältnis zu den Kunden wieder eingerenkt werden kann, bleibt nur abzuwarten.

Loveparade-Katastrophe

Ein zugleich schreckliches wie auch trauriges Ereignis führte zum Tod von 21 jungen Menschen. Die Loveparade, ein normalerweise unglaublich farbenfrohes Fest der Freude, endete 2010 in Duisburg mit einem großen Trauma für tausende Partygänger, Ersthelfer, Familien und Freunde. Der ohnehin schon schwerwiegende seelische Schaden vieler Beteiligter wurde dann noch durch eine weitestgehend missglückte Krisenkommunikation verstärkt.

Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland äußerte sich noch am Tag des Unglücks auf einer Pressekonferenz zu den tragischen Ereignissen und bezichtigte die Teilnehmer und die daraus resultierenden Todesfälle der Eigenverschuldung. Die Empörung der Öffentlichkeit war aufgrund dieser Pietätslosigkeit entsprechend groß – der Imageschaden irreparabel.
Eineinhalb Jahre später wurde Adolf Sauerland per Bürgerbegehren abgewählt.

Die Schuld bzw. die moralische Verantwortung mit pauschalen Argumenten von sich zu weisen und anderen in die Schuhe zu schieben ist ein Klassiker unter den PR-Fehlern in der Krise. Bei solch einem Durcheinander ist es dann auch nicht mehr verwunderlich, wenn der eben erst engagierte PR-Profi schon nach nur wenigen Tagen wieder das Handtuch wirft – zaubern können die eben auch nicht.

VW Abgasskandal

An dieser Stelle möchte ich Ihnen ein Bilderbuch-Beispiel für misslungene Krisenkommunikation vorstellen: Die Dieselgate-Affäre der Volkswagen AG von 2015. Dieses noch nicht lange zurückliegende Ereignis ist in seiner Tragweite nahezu unübertroffen. Martin Winterkorn, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, hatte zu Beginn der Dieselgate-Affäre noch von den „schlimmen Fehlern einiger weniger“ gesprochen. Wie sich im Laufe der Affäre herausstellen sollte, waren es nicht nur einige wenige mit der Schummel-Software ausgestattete Fahrzeuge, sondern auch weitaus mehr in den Betrug eingeweihte Führungskräfte der Volkswagen AG, welche die haarsträubende Situation zu verantworten hatten. An ihrer Spitze saß Martin Winterkorn.

Die Folgen des Skandals ließen nicht lange auf sich warten: Stake- und Shareholder gingen auf die Barrikaden, das Vertrauen der Verbraucher war voll und ganz verspielt. Die Ermittlungsverfahren gegen den Automobilkonzern laufen in vielen Ländern dieser Erde, der Image-Schaden für den Großkonzern ist auch heute noch nicht in vollem Ausmaß messbar. Dass sich Verbraucher an der Nase herumgeführt gefühlt haben, lag wohl auch an der Salamitaktik, die das Scheitern der Krisenkommunikation praktisch von selbst eingeleitet hatte. So wurden in kurzen Abständen immer wieder neue Details in den Medien bekannt, die nicht nur die Medien-Präsenz des Unternehmens unnötig in die Länge zogen, sondern auch die Toleranz des Verbrauchers in immer wiederkehrenden Salven auf die Probe stellten.

In einer Krise, die auf unternehmerischen Fehlentscheidungen beruht, ist die Versuchung groß, mit verdeckten Karten zu spielen. Dennoch ist gerade dies der direkte Weg in den Abgrund bei vielen großen Krisenfällen. Im Fall von VW war durch die Tragweite absehbar, dass Ermittler und Journalisten die Sache nicht auf sich beruhen lassen würden. Mutmaßlich hätte eine schnelle und durchgreifende Offenlegung der Problematik die Situation für das Unternehmen (relativ gesehen) verbessern können. Dies wurde jedoch durch die persönlichen Verstrickungen der Entscheider erschwert.

Polizeisprecher München

Häufig kann man ja aus Fehlern mehr lernen als aus Erfolgen. Dennoch möchte ich auch ein positives Beispiel gelungener Krisen-PR vorstellen: Als es im Sommer 2016 zu einem Amoklauf am Olympia Einkaufszentrum in München kam, glänzte die Münchener Polizei durch eine hochprofessionelle und sachliche Krisenkommunikation. Als besonders effizient erwiesen sich die Sozialen Medien während der Krisensituation, die gezielt eingesetzt wurden, um die Bevölkerung zu beruhigen und über mögliche Gefahrenzonen aufzuklären. Ein großes Lob verdient auch Marcus da Gloria Martins, der zu dieser Zeit Pressesprecher der Münchener Polizei war. Mit großer Souveränität und Professionalität gelang es ihm während der gesamten Krisensituation, sich den immer wiederkehrenden sensationslüsternen Fragen der Journalisten zu stellen und die Gesprächshoheit trotz des enormen Drucks zu behaupten. Diese Abgeklärtheit sorgte dafür, dass ihm nicht nur eine Fanpage auf Facebook eingerichtet wurde, sondern darüber hinaus auch die Pressestelle der Münchener Polizei als „PR-Team des Jahres“ ausgezeichnet wurde.

Lesen Sie mehr über die gelungene Krisen-PR der Polizei München: Krisen-PR über Social Media: Polizei München zum #OEZ #Amoklauf

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